17 Oktober, 2010

Thomas Brasch:

„Der Umstand, dass ich diesen Preis aus den Händen des bayerischen Ministerpräsidenten, dessen politische Haltung der meinen entgegengesetzt ist, annehme, hat unter meinen Freunden zu Auseinandersetzungen geführt. Ich möchte hier erklären, warum ich die Annahme oder Ablehnung dieses oder jenes Preises für ein sekundäres Problem halte, hinter dem ein Wichtigeres zu Tage tritt.

Unter den Widersprüchen, die unsere Zeit taumeln lässt - zwischen Waffenstillstand und Krieg, zwischen dem Zerfall der Ordnung, die Staat heißt, und ihrem wütenden Überlebenskampf, zwischen dem Alten, das tot ist, aber mächtig, und dem Neuen, das lebensnotwendig ist, aber nicht in Aussicht - scheint der Widerspruch, in dem ich arbeite, ein Geringer: gleichzeitig ein Denkmal zu setzen dem anarchischen Anspruch auf eigene Geschichte und dies zu tun mit dem Wohlwollen derer, die eben diesen Versuch unmöglich machen wollen und müssen - der Herrschenden nämlich.


FJS und Thomas Brasch 1981.

Obwohl wie gesagt nicht der wichtigste Widerspruch ist er doch für den, der ihm ausgesetzt ist, der mit dem Geld des Staates arbeitet und den Staat angreift, der den subversiven Aussenseiter zum Gegenstand seiner Arbeit macht, und sich selbst zur gleichen Zeit zu einem Komplizen der Macht, ein Entscheidender. Er ist der Widerspruch der Künstler im Zeitalter des Geldes schlechthin - und er ist nur scheinbar zu lösen mit dem Rückzug in eine privatisierende Kunstproduktion, oder mit der Übernahme der Ideologie der Macht.

Beides sind keine wirklichen Lösungen, denn sie gehen dem Widerspruch aus dem Weg – und die Widersprüche sind die Hoffnung. Erst sie ermöglichen, den Bruch, der durch die Gesellschaft der Leistungen und der staatlichen Macht geht, und durch jedes einzelne ihrer Glieder, in ihrer ganzen Größe zu erkennen. Diese Gesellschaft hat sie geschaffen, hat die Künste in die Zerreissprobe zwischen Korruption und Talent geschleift. Und nicht die Künste werden diesen Widerspruch abschaffe - sie können sich ihm nur aussetzen, um ihn besser zu beschreiben - sondern alle Kräfte, die zur Abschaffung der gegenwärtigen Zustände beitragen, die keine menschenwürdigen sind. Davon handelt mein Film, auch wenn er von Kriminellen handelt, aber die Kriminalität ist der urwüchsigste Ausdruck der Auflehnung. (...)”

Zitiert nach der Fernsehaufzeichnung der Verleihung des Bayerischen Filmpreises 1981.

2 Kommentare:

  1. In diesem Zusammenhang:

    http://halbnah.blogspot.com/2011/11/rebellion.html

    http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=fl&dig=2011%2F11%2F21%2Fa0112&cHash=13a5ca44dc

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  2. siehe
    http://parallelfilm.blogspot.com/2011/11/asthetik-des-widerstands.html

    c

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